Das Dilemma bei der Diagnosestellung in der Psychiatrie ist, dass es keine Parameter gibt, die eindeutig für eine psychische Erkrankung sprechen. Bei körperlichen Erkrankungen gibt es diese: Man kann den Blutdruck messen, um einen Bluthochdruck festzustellen, man kann den Blutzuckerspiegel messen, um einen Diabetes festzustellen, aber für eine Depression, eine Manie oder eine andere psychische Erkrankung gibt es solche messbaren Biomarker nicht.

Wenn jemand unter Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit oder Energiemangel leidet, kommt es für die Diagnose ganz darauf an, zu welchem Arzt man geht. Diese Symptome werden von einem Endokrinologen als Anzeichen für eine Schilddrüsen-Unterfunktion gewertet. Geht man damit zu einem Gynäkologen kann es sein, dass er beginnende Wechseljahre diagnostiziert. Für einen Psychiater sind das Anzeichen einer Depression.

 

Wer hat denn nun recht ?  Alle !

Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit oder Energiemangel können Symptome für unterschiedliche Krankheiten sein, deshalb nennt man diese auch „unspezifische Symptome“. Der Endokrinologe misst die Schilddrüsenwerte, der Gynäkologe die Hormone, um die Verdachtsdiagnose zu bestätigen.

Der Psychiater hat solche Biomarker nicht, also nimmt er den Krankheitskatalog, den ICD-11, und fragt weitere Symptome und deren Dauer ab, um anhand des Katalogs eine Diagnose und den Schweregrad der Erkrankung festzulegen. Gemessen wird im Blut nicht. Die Begründung dafür ist, dass es solche eindeutigen Merkmale wie beim Bluthochdruck, beim Diabetes, bei der Schilddrüsenunterfunktion oder den Wechseljahren bei psychischen Erkrankungen nicht gäbe.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Omega-3 Index und psychischen Erkrankungen?

In einer portugiesischen Übersichtsarbeit, die im Juli 2023 in der Fachzeitschrift „Frontiers Psychiatry“ erschienen ist, wurde untersucht, ob es einen Zusammenhang zwischen dem Omega-3 Index und dem Auftreten von psychischen Erkrankungen gibt. Das könnte den Ärzten bei der Identifizierung von Patienten mit erhöhtem Risiko und der Überwachung des Krankheitsverlaufs helfen.
Psychiatrische Störungen sind in der Regel uneinheitlich. Diese Heterogenität lässt sich im Krankheitsverlauf, bei der Reaktion auf Behandlungen und bei genetischen Polymorphismen beobachten. Wahrscheinlich aus diesen Gründen wurde bisher kein psychiatrischer Biomarker gefunden. Es ist noch unklar, ob der Omega-3 Index als Marker für die Diagnose und die Vorhersage des Ansprechens auf eine Behandlung klinisch nützlich sein kann.

Die in der Übersichtsarbeit ausgewerteten Studienergebnisse sind überzeugend genug, um den Omega-3-Index als Risikofaktor für einige psychiatrische Erkrankungen zu betrachten.


Die Autoren schlagen für die westliche Bevölkerung einen Risikogrenzwert von

  1. Omega-3 Index von 4 – 5 % : schwere Depression und Demenz
  2. Omega-3 Index von 5 %: postpartale Depression
  3. Omega-3 Index von 4 %: Übergang zu Psychosen

Der Omega-3 Index sagt aus, wie viel Prozent die Omega-3 Fettsäuren EPA und DHA in der Zellmembran der roten Blutkörperchen ausmachen. Ein Omega-3 Index von 8 % sagt also aus, dass dort acht von einhundert Fettsäuren Omega-3 Fettsäuren sind. Diese Fettsäuren heißen so, weil sie vom Ende (griech. Omega) hergezählt, an der 3.Stelle die erste Doppelbindung haben.

Aus den Arbeiten von Prof. Clemens von Schacky und William Harris, die den Omega-3 Index 2004 entwickelt haben, weiß man, dass ein Omega-3 Index von unter 2 % nicht mit dem Leben vereinbar ist. Der Omega-3 Index wurde ursprünglich von Harris und von Schacky als Biomarker für den Gehalt an Omega-3-Fettsäuren in der Herzmembran und als Risikofaktor für koronare Herzerkrankungen, insbesondere den plötzlichen Herztod, vorgeschlagen. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass das Risiko um etwa 90 % abnimmt, wenn der Omega-3 Index von 4 % auf Werte über 8 % ansteigt, und definierten eine Risikoskala für den Tod durch eine koronare Erkrankung (0-4 % hohes Risiko; 4-8 %: mittleres Risiko; über 8 %: wünschenswerte Situation) [3] 

 

Welche Bedeutung hat Omega-3 für die Psyche?

Für Menschen mit psychischen Erkrankungen ist der Omega-3 Index deshalb so bedeutsam, weil er auch den Gehalt anderer Gewebe, nicht nur von Herz-Gewebe, an EPA und DHA widerspiegelt, also auch die der Nervenzellen im Gehirn. Ein Mangel an Omega-3 Fettsäuren verändert das Vorkommen und die Freisetzung von Serotonin und Dopamin. Die mit hohen Spiegeln an Omega-3 Fettsäuren einhergehende Verbesserung von Stimmungsstörungen werden mit diesen Mechanismen in Verbindung gebracht.

Die Omega-3 Fettsäuren beeinflussen das zentrale Nervensystem durch molekulare, zelluläre und neurobiologische Mechanismen, die die Struktur und Funktion der Zellmembranen beeinflussen, aber auch die Entstehung von Entzündungen und die Durchblutung des Gehirns betreffen. All diese Vorgänge werden als Mitursache von psychischen Erkrankungen angesehen.

 

Kennen Sie Ihren Omega-3 Index?

Ist man von psychischen Beeinträchtigungen betroffen, sollte man seinen Omega-3 Index kennen. Eine entsprechende Blutmessung nennt sich auch „Fettsäuren Analyse“. Es gibt Anbieter, wie z.B. Omegametrix oder norsan, die Test-Kits anbieten.

Man lässt sich das Kit nach Hause schicken, sticht sich mit einer beiliegenden Lanzette in die Fingerkuppe (wie beim Blutzuckertest), tropft einige Blutstropfen auf ein vorbereitetes Papier, lässt es trocknen und schickt es mit einem ganz normalen Briefumschlag ins Labor. Nach einer Woche bekommt man das Ergebnis zugeschickt.

Auf meiner letzten Analyse stand:

  • Omega-3 Index:                                    13,5 % (Referenz: 8 – 16 %)
  • Verhältnis Omega 6 zu Omega-3:           1,5 (Referenz: unter 3,5)

 

Wie hebt man seinen Omega-3 Spiegel an?

Was kann man tun, wenn der Omega-3 Index unter 8 % liegt? Die Fettsäuren DHA und EPA nennt man auch „marine Fettsäuren“, weil sie in Fisch und Meeresfrüchten vorkommen. Sie werden von Algen produziert, die von Fischen und Meerestieren als Nahrung genutzt werden.

Auch hier gibt es leider ein Dilemma. Fisch und Meeresfrüchte sind heutzutage mit Schadstoffen belastet, sodass allgemein empfohlen wird, nicht mehr als zweimal in der Woche Fisch zu essen. Mit dieser Menge kann man seinen Omega-3 Spiegel nur schwer anheben.

Am besten eignen sich Fisch- oder Algenölprodukte, die es als Öl oder Kapseln zu kaufen gibt. Sogar Discounter-Supermärkte bieten solche an. Bitte achten Sie bei der Auswahl eines Produkts darauf, dass auf der Verpackung der Gehalt an DHA und EPA einzeln angegeben wird. Die Angabe „Omega-3 Fettsäuren“ allein, reicht nicht aus.

Es gibt viele Hersteller auf dem Markt, achten Sie auf die genaue Aufschlüsslung der enthaltenden Fettsäuren. Diese könnte zum Beispiel so wie bei dem Produkt „Omega-3 total“ der Firma „norsan“ aussehen:

 

Wieviel soll man nehmen?

Wenn Sie bisher wenig Fisch gegessen oder Omega-3 nicht zusätzlich ergänzt haben, brauchen Sie wahrscheinlich insgesamt eine Menge von ca. 2 g (2.000 mg) Omega-3 Öl/Kapseln am Tag. Darin sollten ca. 1 g (1000mg) EPA sein. So jedenfalls das Ergebnis von Studien mit Depressiven, diese profitierten von einem höheren Anteil EPA als von DHA.

Es gibt keine allgemeingültige Dosierung, die für alle stimmt. Es kommt auf mehrere Faktoren an, die wichtigsten sind nach der Dosis selbst das Körpergewicht und der Ausgangsspiegel für Omega-3, also der Omega 3 Index, wie in einer 2019 erschienen amerikanischen Studie stand.[4]

Mithilfe der folgenden Abbildung kann man voraussagen, wie viel Omega-3 man täglich zu sich nehmen muss, um einen erwünschten Spiegel zu erhalten.

Wenn Sie Genaueres dazu lesen möchten, finden Sie hier in meinem Blog die Studie ausführlicher beschrieben.

 

Wie oft sollte man den Omega-3 index messen lassen?

Nach etwa 3 Monaten kann man den gleichen Test noch einmal durchführen, um zu sehen, was in den Zellmembranen tatsächlich angekommen ist. Um sich langfristig sicher zu sein, dass der Omega-3 Index im „grünen Bereich“ liegt, sollte man die Messung einmal im Jahr wiederholen oder wenn Sie über mehrere Monate weder Fisch gegessen noch Algen- oder Fischöl substituieren konnten.

Ein hoher Omega-3 Index ist keine Garantie für Symptomfreiheit, aber ein wichtiger Baustein auf dem Weg dorthin und kann laut o.g. Studie das Risiko für erneute Krisen senken.

Quellen: 

[1] Omega-3 index as risk factor in psychiatric diseases: a narrative review; Front Psychiatry. 2023; 14: 1200403. Published online 2023 Jul 28.; doi: 10.3389/fpsyt.2023.1200403

[2] Meyer JH, Cervenka S, Kim MJ, Kreisl WC, Henter ID, Innis RB. Neuroinflammation in psychiatric disorders: PET imaging and promising new targets. Lancet Psychiatry. (2020) 71:1064–74. doi: 10.1016/s2215-0366(20)30255-8, PMID:

[3] Harris WS, Von Schacky C. The Omega-3 index: a new risk factor for death from coronary heart disease? Prev Med. (2004) 39:212–20. doi: 10.1016/j.ypmed.2004.02.030, PMID

[4] Walker RE, Jackson KH, Tintle NL, Shearer GC, Bernasconi A, Masson S, Latini R, Heydari B, Kwong RY, Flock M, Kris-Etherton PM, Hedengran A, Carney RM, Skulas-Ray A, Gidding SS, Dewell A, Gardner CD, Grenon SM, Sarter B, Newman JW, Pedersen TL, Larson MK, Harris WS. Predicting the effects of supplemental EPA and DHA on the omega-3 index. Am J Clin Nutr. 2019 Oct 1;110(4):1034-1040. doi: 10.1093/ajcn/nqz161. PMID: 31396625.