Original-Titel: Do food and nutrition have therapeutic value for disorders of mood and conation?

Autoren: J, Chaudhury S, Chatterjee K, Kumar S

Quelle: DOI: https://doi.org/10.4103/ipj.ipj_68_22

Hinweis: Diese wissenschaftliche Studie ist für jedermann frei zugänglich und wurde von mir ins Deutsche übertragen. Die Hervorhebungen stammen von mir.

Worum ging es in der Studie?

Mit dieser Überschrift wurde im Mai 2022 eine Metaanalyse aus Indien veröffentlicht, die in der Zeitschrift des Verbandes für Arbeitspsychiatrie in Indien erschienen ist. Aus meiner Sicht wird hier sehr ehrlich das Dilemma der Psychiatrie beschrieben, das darin besteht, dass zwar durch den Einsatz von Psychopharmaka es zu einer erheblichen Verringerung der Krankheitslast und der Sterblichkeit gekommen sei, aber die Autoren im Laufe der Jahre erkannt haben, dass „der Nutzen dieser Medikamente für die psychische Gesundheit von vielen erheblichen Nebenwirkungen, der Notwendigkeit einer unangenehm langen Medikamenteneinnahme und einer unzureichenden Compliance überschattet wird, die erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der Therapietreue erfordert. Darüber hinaus können Medikamente bei einem Drittel der Bevölkerung wirksam sein, während sie bei der Hälfte der Bevölkerung zu einem Rückfall führen.“

Mit meinen Worten, die Nachteile der Psychopharmaka machen es den Behandlern immer schwerer, die Patienten von deren Nutzen und von deren Anwendung zu überzeugen. So sucht man nach anderen Optionen.

Die Autoren stellen fest, dass das Interesse an lebensstilbezogenen Faktoren stetig zunehme, insbesondere das Thema Ernährung ziehe viel Aufmerksamkeit auf sich. Eine wachsende Zahl von Forschungsergebnissen deute darauf hin, dass die Ernährung nicht nur bei der Förderung eines positiven psychischen Wohlbefindens, sondern auch bei der Behandlung psychischer Erkrankungen eine wichtige Rolle spiele.

Im Folgenden fassen die Autoren die vorliegenden Forschungsergebnisse in Bezug auf alle psychischen Erkrankungen wie folgt zusammen:

  1. Aminosäuren als Vorläufer von Neurotransmittern: Die meisten psychischen Erkrankungen sind auf Störungen/Defizite von Neurotransmittern zurückzuführen, die hauptsächlich durch Aminosäuren synthetisiert werden. Die über die Ernährung zugeführten Aminosäuren gleichen diese Defizite und Ungleichgewichte aus, was zu der gewünschten therapeutischen Wirkung führt. Die Serotoninvorstufe Tryptophan stellt das Serotonin wieder her und lindert die Depression. Tyrosin und seine Vorstufe Phenylalanin stellen Dopamin und Noradrenalin wieder her, das Substrat für Wachsamkeit und Erregung. Das Methioninprodukt S-Adenosylmethionin (SAM) fördert die Produktion von Neurotransmittern im Gehirn.
  2. Eine geeignete Ernährung kann die Neubildung (Neurogenese)von Gehirn-Nervenzellen fördern: Einige Bereiche des Gehirns verfügen über ein lebenslanges Potenzial zur Neurogenese, darunter der Hippocampus und der Neokortex. Diese Bereiche spielen eine aktive Rolle bei Emotionen und Kognition, und Defekte in diesen Bereichen führen häufig zu psychischen Erkrankungen. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Areale auch im Erwachsenenalter noch zur Neurogenese fähig sind, kann eine geeignete Ernährung, die die Neurogenese fördert, unsere kognitiven Reserven verbessern und mögliche psychische Erkrankungen verhindern.
  3. Omega-3 Fettsäuren stellen eine förderliche Ressource dar: Die graue Substanz des Gehirns besteht zu 50 % aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Davon gehören etwa 33 % zur Familie der Omega-3-Fettsäuren, die reichlich in ganzem Fisch enthalten sind. Eine Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist, stellt somit eine förderliche Ressource für den neurogenerativen Prozess und das geistige Wohlbefinden dar. Eine fischreiche Ernährung, die reich an Omega-3-Fettsäuren ist, wirkt psychisch schützend. Sie führt zur Produktion von Prostaglandin, Leukotrien und anderen Gehirnchemikalien mit antidepressivem Wert. Seine Wirkung über peroxisomale proliferator-aktivierte Rezeptoren, die zur Hemmung von G-Proteinen, Proteinkinase C und verschiedenen Ionenkanalrezeptoren (Ca, Na und K) führt, wurde ebenfalls zur Verringerung der Depression vorgeschlagen. Omega-3-Fettsäure-Produkte, insbesondere Eicosapentaensäure (EPA), können als Ergänzung zu Medikamenten die Symptome der Schizophrenie deutlich verringern.
  4. Die Darm-Hirn-Achse beeinflusst über die Ernährung die psychische Gesundheit: Die Wirkung erfolgt entweder direkt über die neuronale Achse oder indirekt über entzündliche oder hormonelle Veränderungen im Darm und dem damit verbundenen Gefäßsystem. Da die westliche Ernährung aus verarbeiteten Lebensmitteln besteht, sind sie in erster Linie azellulär. Daher werden sie leicht und früh im Darm verdaut und umgewandelt. Diese frühe und übermäßige Umwandlung wirkt sich negativ auf das mikrobielle Milieu aus, was zu einem erheblichen Verlust von Bakterien führt, die für die Funktion des Mikrobioms wichtig sind, und kann die Vererbbarkeit durch epigenetische Veränderungen fördern. Eine ballaststoffarme Ernährung, die reich an raffiniertem Zucker, künstlichen Süßstoffen und gesättigten Fetten ist, löst mit größerer Wahrscheinlichkeit Entzündungsprozesse aus, die sich negativ auf die Darmschleimhaut auswirken und die Durchlässigkeit des Epithels erhöhen. Dies kann zur Ausbreitung von Entzündungsstoffen über den Blutkreislauf in entfernte Bereiche, einschließlich des Gehirns, führen. Das führt zu zahlreichen Entzündungskrankheiten, die sich nachteilig auf das Denken, die Gehirnfunktion und die Blut-Hirn-Schranke auswirken. Fortgeschrittene Glykierungsendprodukte (wärmebehandelte Lebensmittel mit einem hohen Anteil an verarbeiteten Fetten und Kohlenhydraten, Frühstückscerealien usw.) fördern das Wachstum schädlicher Mikroben, reduzieren nützliche Mikroben und erhöhen die Durchlässigkeit des Dickdarms. Diese ernährungsbedingten Entzündungen führen auch zu Heißhungerattacken und Hyperphagie, wodurch ein Teufelskreis aus schlechter Ernährung und schlechten Auswirkungen entsteht.
  5. Es gibt zahlreiche Studien darüber, dass eine entzündungshemmende Ernährung Symptome psychischer Erkrankungen verringert. Verfügbare Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass allein die mediterrane Ernährung das Risiko einer Depression um 30 % verringert. Bei der mediterranen Ernährung, die aus unverarbeiteten pflanzlichen und tierischen Produkten besteht, sind die Zellwände und Zellmembranen intakt. Sie durchqueren das Darmlumen in der vorgesehenen Geschwindigkeit, werden über den gesamten Verdauungstrakt verdaut und erreichen den ballaststoffreichen Dickdarm. Diese Ernährung scheint das Gleichgewicht aufrechtzuerhalten und das Wachstum der faserabbauenden Bakterien im Dickdarm sowie die Bildung nützlicher Metaboliten zu fördern. Deshalb wirkt die mediterrane Ernährung von Natur aus entzündungshemmend.
  6. B-Vitamine: Es wurde festgestellt, dass Folsäure und Vitaminpräparate depressive Symptome verringern.
  7. Mineralstoffe: Die Einnahme von Magnesiumsalzen (Mg-Glycinat und MG-Taurinat) hat bei vielen depressiven Patienten innerhalb einer Woche zu einer raschen Besserung geführt.

Bei der bipolaren Störung nennen die Autoren biochemische Anomalien, die mit einer Ernährungsumstellung und Lebensstiländerung beeinflusst werden können, u.a.:

  • Überempfindlichkeit gegenüber Acetylcholin
  • Erhöhtes Vanadium
  • Verringertes Vitamin B und C, Taurin, Omega-3 Fettsäuren
  • Anämie (Blutarmut)

Die Begründung dafür wird ausgeführt: „Vitamin C hat eine schützende Wirkung auf Vanadium-induzierte Hirnschäden. In Verbindung mit der natürlichen Versorgung des Körpers mit Lithium wird festgestellt, dass es manische und depressive Symptome verringert. Taurin, das aus Cystein in der Leber gewonnen wird, hat eine beruhigende Wirkung auf das Gehirn und blockiert auch die überschüssige Wirkung von Acetylcholin. Weitere Nährstoffe, die sich als wirksam erwiesen haben, sind L-Tryptophan und Cholin. Lithiumorotat, ein nicht verschreibungspflichtiges Nahrungsergänzungsmittel, ist im Gegensatz zu pharmazeutischem Lithium in viel geringerer Dosierung erforderlich und überwindet die Blut-Hirn-Schranke.“

Wie bei fast jeder Studie verweisen die Autoren auf zukünftig noch durchzuführende Studien, die weitere Belege liefern sollen. So heißt es in der Zusammenfassung: „Die verfügbaren Daten belegen, dass die mediterrane Ernährung, unverarbeitete Lebensmittel, Omega-3-Fettsäuren, Nährstoffe, die reich an essenziellen Aminosäuren sind, und Vitamine bei vielen psychischen Erkrankungen ein therapeutisches Potenzial haben. Sie wurde sowohl als Ergänzung als auch als Hilfsmittel mit günstigem Ergebnis eingesetzt. Ob sie jedoch ein guter Ersatz oder eine gute Ergänzung für Psychopharmaka sind, wird sich im Laufe der Zeit durch weitere Forschung und empirische Beweise zeigen. Allein die Tatsache, dass sie bei umsichtiger Anwendung nützlich ist, stimmt inmitten der oben erwähnten Bedenken und Komplikationen der Psychopharmazie optimistisch.“

Fazit: Meine Stimmung und mein Antrieb werden von meiner Ernährung und von meinem Lebensstil beeinflusst! Ich frage mich, warum ich erst auf weitere Studien warten muss, um bestätigt zu bekommen, wie hilfreich diese Strategien sind. Mir reichen diese Belege heute schon aus, um sie für meine Stabilität zu nutzen.

Den ins Deutsche übersetzten Volltext können Sie hier lesen.