Sicher hat jeder schon mal von den Heilkräften der Natur gehört. Hört sich irgendwie nach Allgemeinplatz an, der immer richtig ist, aber was sind denn das nun genau für Heilkräfte und was hat das mit der bipolaren Störung zu tun?

In der Internationalen Zeitschrift für Umweltforschung und Gesundheitsmedizin ist im Februar 2024 die erste Studie[1] erschienen, die sich mit dem Zusammenhang zwischen dem Zugang zur Natur in städtischen Wohngebieten und der psychischen Gesundheit beschäftigte. Die Studie wurde in Texas durchgeführt. Es konnte ein signifikanter Zusammenhang nachgewiesen werden. Die Forscher fanden heraus, dass in Stadtgebieten mit „angemessene Natur“ eine um 51 % bzw. 63 % geringere Wahrscheinlichkeit für Depressionen und bipolare Störungen aufweist als Stadtgebiete mit „wenig nützlichen natürlichen Elementen“.

In die Bewertung flossen Datensätze über einen sogenannten „Nature Score“ – „Naturbewertung“ ein, der eine breite Palette von Umweltmerkmalen enthielt, darunter Satellitenbilder der Vegetation, der Flächennutzung und -klassifizierung, Parks, Baumkronen, Lärmpegel, Kunstlicht, Luftverschmutzung, Gebäude, Straßen sowie Luft- und Straßenansichten.

Anhand dieser Daten wurden vier Bereiche festgelegt. Die Skala ging von 0 – 100.

  • Bereich 1: Naturdefizit/Naturschwach (0-39),
  • Bereich 2: Naturadäquat (40-59),
  • Bereich 3: Naturreich (60-79) und
  • Bereich 4: Naturutopie (80-100).

Es wurden insgesamt 369.344 Arztkontakte wegen psychischer Probleme ausgewertet. Diese Kontakte wurden unterteilt in Kontakte wegen Angst/Stress (68,3 %, n = 252.170), Depression (23,6 %, n = 87.052) und bipolare Erkrankungen (8,1 %, n = 30.122).

Pro 100.000 Einwohner betrug die Rate der psychiatrischen Behandlungen insgesamt 2532. Die höchste Rate an Kontakten wurde bei Begegnungen mit Angst/Stress festgestellt (1787 pro 100.000 Einwohner), gefolgt von Depressionen (548 pro 100.000 Einwohner) und bipolaren Begegnungen (196 pro 100.000 Einwohner).

Die Analyse zeigte, dass im Vergleich zu den Vierteln mit dem niedrigsten Nature Score die Wahrscheinlichkeit, auf Depressionen und bipolare Störungen zu stoßen, in Vierteln mit einem Nature Score von knapp über 40 (Nature Adequate) um mindestens 51 % bzw. 63 % geringer war (siehe Tabelle ).

Das zeigt, dass es eine naturnahe Umgebung in unmittelbarer Nachbarschaft vorteilhaft ist, aber bereits eine naturadäquate Umgebung die Rate für bipolare Störungen um mehr als die Hälfte senkt.

Andererseits heißt das für Menschen, die anfällig für psychische Probleme sind, sich ihre Wohnumgebung auch nach der Naturnähe auszusuchen. Je mehr grün, umso besser. Das haben die meisten sicher auch schon gewusst bzw. erahnt, aber nun ist es auch mit einer Studie belegt.

Hier noch einige andere Komponenten, die zu den Heilkräften der Natur gehören und damit ebenfalls für jeden interessant sind, der diese für sich nutzen will:

Sonnenlicht:

Im Zusammenhang mit Vitamin D wird immer wieder über die Heilkräfte der Sonne gesprochen. Die Sonne hat aber in vielerlei Hinsicht positive Wirkungen auf die Gesundheit.

Zitat aus der Studie[2]: „Es gibt immer mehr beobachtende und experimentelle Beweise dafür, dass regelmäßige Sonneneinstrahlung zur Vorbeugung von Dickdarm-, Brust-, Prostatakrebs, Non-Hodgkin-Lymphom, Multipler Sklerose, Bluthochdruck und Diabetes beiträgt. Anfangs wurden diese positiven Wirkungen Vitamin D zugeschrieben. Kürzlich wurde deutlich, dass auch die Immunmodulation, die Bildung von Stickstoffmonoxid, Melatonin, Serotonin und die Wirkung von (Sonne-)Licht auf zirkadiane Uhren beteiligt sind. In Europa (über 50 Grad nördlicher Breite) wird das Risiko für Hautkrebs (insbesondere Melanom) hauptsächlich durch ein intermittierendes Expositionsmuster verursacht, während regelmäßige Exposition ein geringes Risiko darstellt. Die verfügbaren Daten über die negativen und positiven Auswirkungen der Sonneneinstrahlung werden diskutiert. In Anbetracht dieser Daten vermuten wir, dass eine regelmäßige Sonnenexposition der Gesundheit zugutekommt.“

Kältereiz:

Die Bücher und Seminare von Wim Hof sind zu Bestsellern geworden, weil er beweist, welche positiven Effekte ein starker Kältereiz auf den Körper hat.

Waldbaden:

Schon 2007 konnten japanische Forscher der Nippon Medical School (Tokyo) eindrücklich zeigen, dass „Waldbaden“, wie es heute so schön heißt, bestimmte Immunzellen stimuliert. Denn Waldluft enthält bestimmte chemische Substanzen, die offenbar eine positive physiologische Wirkung auf uns haben.[3] Das hat sogar Eingang in die Gruppen-Psychotherapie gefunden.

Geruchsinn:

In einer Studie[4], die in der Zeitschrift „Science“ im Mai 2024 veröffentlicht wurde, ging es um eine Zusammenfassung von Studienergebnissen zum Thema Geruchsinn. Die Autoren schreiben, es ist ein verstärktes Verständnis erforderlich, wie die von der Natur erzeugten Geruchsstoffe (d. h. natürliche olfaktorische Umgebungen) das menschliche Wohlbefinden beeinflussen. Der Geruchssinn beeinflusst die Qualität und Zufriedenheit mit dem Leben, Emotion, Emotionsregulation, kognitive Funktion, sozialen Interaktionen, Ernährungsentscheidungen, Stress und depressiven Symptomen. Die Expositionen über den Riechweg (The olfactory pathway) können auch zu (anti-)entzündlichen Ergebnissen führen.

 

>> Wenn Sie das gelesen haben: Ab mit dem Hund in den Wald, zum Waldbaden, riechen und Sonne tanken- kann man alles auf einmal haben.

 

Quellen:

[1] Makram OM, Pan A, Maddock JE, Kash BA. Nature and Mental Health in Urban Texas: A NatureScore-Based Study. Int J Environ Res Public Health. 2024 Feb 1;21(2):168. doi: 10.3390/ijerph21020168. PMID: 38397658; PMCID: PMC10887946.

[2] van der Rhee HJ, de Vries E, Coebergh JW. Regular sun exposure benefits health. Med Hypotheses. 2016 Dec;97:34-37. doi: 10.1016/j.mehy.2016.10.011. Epub 2016 Oct 19. PMID: 27876126.

[3] Li Q, Morimoto K, Nakadai A, Inagaki H, Katsumata M, Shimizu T, Hirata Y, Hirata K, Suzuki H, Miyazaki Y, Kagawa T, Koyama Y, Ohira T, Takayama N, Krensky AM, Kawada T. Forest bathing enhances human natural killer activity and expression of anti-cancer proteins. Int J Immunopathol Pharmacol. 2007 Apr-Jun;20(2 Suppl 2):3-8. doi: 10.1177/03946320070200S202. PMID: 17903349.

[4] Bratman GN, Bembibre C, Daily GC, Doty RL, Hummel T, Jacobs LF, Kahn PH Jr, Lashus C, Majid A, Miller JD, Oleszkiewicz A, Olvera-Alvarez H, Parma V, Riederer AM, Sieber NL, Williams J, Xiao J, Yu CP, Spengler JD. Natur und menschliches Wohl: Der olfaktorische Weg. Sci Adv. 2024 Mai 17;10(20):eadn3028. doi: 10.1126/sciadv.adn3028. Epub 2024 Mai 15. Mai. PMID: 38748806.