Pilotstudie der Uni Bonn aus 2018 zum Einfluss einer spezifischen Aminosäurenzusammensetzung mit Mikronährstoffen auf das Wohlbefinden bei Probanden mit chronischem psychischem Stress und Erschöpfungszuständen

Original-Titel: Impact of a Specific Amino Acid Composition with Micronutrients on Well-Being in Subjects with Chronic Psychological Stress and Exhaustion Conditions: A Pilot Study

Autoren: Armborst D, Metzner C, Alteheld B, Bitterlich N, Rösler D, Siener R. Impact of a Specific Amino Acid Composition with Micronutrients on Well-Being in Subjects with Chronic Psychological Stress and Exhaustion Conditions: A Pilot Study. Nutrients.

Quelle: PMID: 29710825 PMCID: PMC5986431 DOI: 10.3390/nu10050551

Hinweis: Diese wissenschaftliche Studie ist für jedermann frei zugänglich und wurde von mir ins Deutsche übertragen. Die Hervorhebungen stammen von mir.

Worum ging es in der Studie?
62 Teilnehmern zwischen 18 und 65 Jahren, in etwa gleich viele Männer und Frauen, die sich selbst als stressbelastet und erschöpft wahrnahmen, wurde ein Nährstoffprodukt über 12 Wochen verabreicht. Die Hälfte bekam ein Placebo, das keine Nährstoffe enthielt. Die Studie war randomisiert, doppelblind und placebokontrolliert. Die selbsteingeschätzte Belastung wurde mit einem standardisierten Fragebogen überprüft und nur die Teilnehmer eingeschlossen, die einen PSQ30 (Perceived Stress Questionnaire) von über 0,5 hatten. Es wurde das Speichel-Cortisol und im Blut Spiegelmessungen für Nüchternglukose, HbA1c, Insulin, Gamma-GT, Gesamtcholesterin, LDL, HDL, Triglyceride, C-reaktives Protein, HOMA-Index, Serumserotonin, Serum-Aminosäuren durchgeführt sowie die aufgenommene Nahrung vor Beginn und nach 12 Wochen gemessen. Es sollte ermittelt werden, ob sich durch das Nährstoffpräparat die Stressbelastung und Erschöpfung reduziert hatte.

Ergebnisse:

  • Die Studie zeigte, dass die tägliche Supplementierung der spezifischen Aminosäurezusammensetzung mit Vitaminen und Mineralien zu einer signifikant größeren Verbesserung des subjektiv empfundenen Stresses, gemessen am PSQ30-Gesamtscore, im Vergleich zur Placebogruppe nach der 12-wöchigen Intervention führte. Nach 12 Wochen verbesserte sich das Stresserleben der Verumgruppe signifikant. Die Verbesserungen der wahrgenommenen Überlastung nach acht und 12 Wochen sowie der wahrgenommenen Reizbarkeit, Freudlosigkeit, Müdigkeit und Anspannung nach 12 Wochen waren in der Verumgruppe signifikant größer als in der Placebogruppe.
  • Somit deuten die vorliegenden Ergebnisse darauf hin, dass die Einnahme der spezifischen Aminosäurezusammensetzung mit Mikronährstoffen die Wahrnehmung von chronischem Stress auf komplexe Weise verringerte.
  • Die Befunde aus dieser Studie stimmten mit Ergebnissen aus früheren Studien überein.
  • in der Verumgruppe stiegen die Taurin-, Magnesium, Folsäure- und Tryptophan-Konzentrationen signifikant an
  • in der Placebogruppe sanken die Serumkonzentrationen von Serotonin, Protein und Magnesium signifikant
  • Die Kategorien Impulsivität, Erregbarkeit und Konzentration wurden nur in der Verumgruppe nach 12 Wochen im Vergleich zum Ausgangswert signifikant positiv Die Veränderung der Rangfolge in der Kategorie Antrieb war in der Verumgruppe signifikant besser als in der Placebogruppe.
  • In der Verum- und Placebogruppe zeigte die Blutanalyse keinen Serum-Serotonin-Mangel. Die Serum-Serotonin-Konzentration veränderte sich während der Verum-Behandlung nicht, während bei der Placebo-Behandlung eine signifikante Abnahme beobachtet wurde
  • Das l-Trp/BCAA-Verhältnis und das l-Trp/CAA-Verhältnis stiegen nach der diätetischen Intervention in der Verumgruppe signifikant an, obwohl das vorliegende Verumsupplement die beiden CAA l-Tyrosin und l-Phenylalanin enthielt. Somit konnte eine Stimulation der zentralen Serotoninsynthese angenommen werden. Der Grund für diesen Anstieg ist jedoch ungewiss. Das Verum-Supplement enthielt kein l-Trp und es wurde erwartungsgemäß keine Veränderung der l-Trp-Konzentration im Serum festgestellt
  • Die spezifische Kombination von Aminosäuren, Vitaminen und Mineralien, darunter Magnesium und einige andere wichtige Kofaktoren der Serotoninsynthese [35], dürfte in diesem Zusammenhang jedoch synergistische Effekte haben, da in der Verumgruppe kein signifikanter Zusammenhang zwischen den Plasmakonzentrationen von Serotonin und Magnesium beobachtet wurde.
  • In der gesamten Verumgruppe waren die Veränderungen der Serotonin-Konzentration positiv mit den Veränderungen der Serum-Magnesium-Konzentration und der Serum-Taurin-Konzentration während der 12-wöchigen Interventionsphase (altersadjustiert) korreliert.
  • In beiden Gruppen wurde keine signifikante 12-Wochen-Veränderung der Nahrungsaufnahme von Energie, Protein, Aminosäuren, Fett und Kohlenhydraten beobachtet, ohne signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen. Nach der Einnahme des Verum-Supplements über einen Zeitraum von 12 Wochen stieg jedoch die Nahrungsaufnahme von Ballaststoffen, Vitamin C und Kalium signifikant an, während die Nahrungsaufnahme von Cholesterin nur in der Verum-Gruppe signifikant abnahm. Somit wurden signifikante Unterschiede bei den Veränderungen in der Nahrungsaufnahme von Ballaststoffen, Vitamin C, Kalium und Cholesterin zwischen beiden Gruppen beobachtet.
  • Eine Serotonin-Dysfunktion im Gehirn ist nicht nur mit psycho-neurovegetativen Symptomen, Stimmungsstörungen und beeinträchtigter Stressbewältigung assoziiert, sondern auch mit einer verminderten Kontrolle der gesamten Energieaufnahme [70]. Ein hohes Maß an Stress bei Individuen ist mit einem erhöhten Konsum von Comfort Food verbunden. So war ein höheres Stressempfinden mit einer geringeren Obst-, Gemüse- und Proteinzufuhr, einem höheren Konsum von salzigen Snacks und einer geringeren Teilnahme an körperlichen Aktivitäten verbunden [85,86]. Eine wiederholte Stimulation der Belohnungswege durch stressbedingte Stimulation der HPA-Achse, die Aufnahme von hoch schmackhaften Nahrungsmitteln oder beides kann zu neurobiologischen Anpassungen führen, die den zwanghaften Charakter des Überessens fördern. Cortisol kann den Belohnungswert von Nahrung über neuroendokrine/peptidische Mediatoren wie Leptin, Insulin und Neuropeptid Y beeinflussen. Im Gegensatz dazu werden Glucocorticoide akut durch Insulin und Leptin antagonisiert. Unter chronischem Stress ist dieses fein ausbalancierte System dysreguliert, was möglicherweise zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme und viszeralen Fettansammlung beiträgt [24,87,88]. In der vorliegenden Studie wurde dieser Effekt nur in der Placebogruppe mit signifikanten Anstiegen von WC, WHtR, Körpergewicht und BMI nach 12 Wochen festgestellt.
  • Reziprok fördert die Adipositas einen systemischen Low-Grade-Entzündungszustand, der das Stresssystem chronisch stimulieren und stören kann. Dieser Teufelskreis initiiert wahrscheinlich eine Dysfunktion des viszeralen Fettgewebes, die der Auslöser für die Entwicklung des metabolischen Syndroms sein könnte
  • Die mit chronischem psychischem Stress verbundenen Gesundheitsrisiken sind kardiovaskuläre Erkrankungen, Atherosklerose [90], Diabetes mellitus Typ 2 [20], ungünstige Auswirkungen auf das Immunsystem [91] und ein erhöhtes Sterberisiko [92]. Die vorliegenden Ergebnisse deuten also darauf hin, dass bei den Teilnehmern der Verumgruppe ein erhöhtes stressbedingtes Essverhalten mit entsprechenden Auswirkungen auf anthropometrische und kardiometrische Parameter verhindert wurde
  • Zusätzliche positive Effekte durch die optimierte Nahrungsaufnahme von Obst, Gemüse und tierischen Lebensmitteln, ohne Auswirkungen auf die Makronährstoffe, werden vermutet. Ob diese optimierte Nahrungsaufnahme in kausalem Zusammenhang mit der Verum-Behandlung steht oder ob diese Teilnehmer außerhalb der Studienanweisungen Lebensstiländerungen vornahmen, ist fraglich
  • Zu Beginn und am Ende dieser Studie waren die Entzündungsprozesse in beiden Gruppen erhöht. Interventionsstudien am Menschen mit synergistischen Wirkungen von Nährstoffen und Vollwertkost, wie z. B. der mediterranen Ernährungsweise, sind erforderlich, um die Vorteile für die psychische und kardiometabolische Gesundheit zu untersuchen [96].

Was haben die Teilnehmer bekommen?

Es wurde ein diätetischen Interventionsprodukt mit folgender Zusammensetzung pro Tag (9,4 g Pulver) für die Verumgruppe verwendet:

Aminosäuren:  Taurin 1.000 mg, L-Ornithin 2.000 mg, L-Phenylalanin 200 mg, L-Tyrosin 1.000 mg

Vitamine: Vitamin C 300 mg, B1 25 mg, B2 25 mg, B6 25 mg, B12 50 µg, Niacin (B3) 100 mg, Pantothensäure (B5) 100 mg, Folsäure (B9) 800 µg, Beta-Carotin 0,8 mg;

Mineralstoffe: Magnesium 300 mg, Zink 15 mg, Selen 100 µg, Chrom 50 µg, Molybdän 50 µg

Welche Teilnehmer durften mitmachen?

Es wurden nur Teilnehmer eingeschlossen, die subjektiv wahrgenommenen chronischen Stress- und Erschöpfungszuständen, wie z. B. Burnout-Symptome, hatten. Die wahrgenommene chronische psychische Belastung wurde durch einen erhöhten Wert des standardisierten PSQ30 [42] definiert. Es wurden Frauen und Männer zwischen 18 und 65 Jahren eingeschlossen mit einem PSQ30-Gesamtscore über 0,50. Letztendlich wurden insgesamt 62 Teilnehmer eingeschlossen.

Was wurde im Einzelnen untersucht?

Bei den Teilnehmern wurden folgende Laborparameter gemessen:

  • Speichel-Cortisol-Konzentrationen
  • Venöse Blutproben vor Studienbeginn und nach 12 Wochen: Nüchternglukose, HbA1c, Insulin, Gamma-GT, Gesamtcholesterin, LDL, HDL, Triglyceride, C-reaktives Protein (CRP)
  • Diagnose des metabolischen Syndroms, HOMA-Index, Serumserotonin, Serum-Aminosäuren
  • Selbstberichtete Nahrungsaufnahme zu Studienbeginn und nach 12 Wochen, daraus Berechnung des Nährstoffgehalts, Durchschnitt von drei Tagen wurde berechnet.